Über dieses Buch
Gegen Ende der 70er Jahre begann ich damit, vor roten und blauen Farbtafeln sitzend zu meditieren.
Es handelte sich um die visuelle Meditationstechnik der „Tafeln von Chartres“. Sie hat eine sehr lange Geschichte, die bis ins europäische Mittelalter und zum Bau der großen gotischen Kathedralen zurückreicht. Französische Fahrende haben diese Tradition vor dem Vergessen bewahrt. Außer ihnen wusste bis dahin niemand, dass es in Europa eine eigenständige Meditationstechnik gibt, die den traditionellen asiatischen Schulen durchaus ebenbürtig ist.
Im wesentlichen besteht diese Technik darin, die Sehzentren im Gehirn systematisch mit unterschiedlichen, d.h. widersprüchlichen Informationen zu beschicken. Durch eine willentliche Veränderung der Augenstellung sehen beide Augen die drei Tafeln zwar als identische Formen, aber in unterschiedlichen Farben: Die Tafeln, die das eine Auge als rot sieht, erscheinen dem anderen als blau und umgekehrt.
Was auf den ersten Blick wie eine visuelle Spielerei aussah, erwies sich nach und nach als eine der wirksamsten Techniken zur Erweiterung und Verfeinerung des wahrnehmenden Bewusstseins. Die Meditation mit den Tafeln von Chartres machte meine Wahrnehmung zunehmend zu ihrem eigenen Objekt. Als Betrachter sah ich nicht mehr irgendwelche Bilder, sondern blickte in einen Spiegel, in dem ich vor allem mich selber vor Augen hatte. So gewann ich Einsichten in die Funktionsweise sowohl
meiner visuellen Wahrnehmung als auch meiner eigenen Psyche, die ich auf anderen Wegen nicht gefunden hatte.* Und ich erkannte auch, wie unmittelbar die beiden zusammenhängen und einander bedingen.
Nach zwei Jahren intensiver Meditation schrieb ich 1981 dieses „Kleine Handbuch für Glasperlenspieler“. Es war eine Art Liebeserklärung an die Meditation mit den Tafeln von Chartres. Und ein erster Versuch, das Wunder, das mir widerfahren war, in Worte zu fassen. (Es dauerte weitere 13 Jahre, bis ich mich an das Projekt wagte, ein Handbuch über diese Meditation zu schreiben: "Die Tafeln von Chartres" - auch im Lenzwald Verlag erhältlich) Wenn ich das „Kleine Handbuch“ jetzt neu veröffentliche, dann in der Zuversicht, dass es anderen Menschen den Weg zu ähnlichen Erfahrungen weisen wird. (Zwischendurch erschien es bei Hugendubel. Junfermann veröffentlichte 1994 unter dem Titel "Der Weg über die Augen - Die spirituelle Dimension des Magischen Sehens".)
Der praktische Übungsteil ist denn auch der wichtigste Teil dieses Buches. Nur die eigene Erfahrung kann dem Leser seine eigene visuelle Wunderwelt erschließen und die literarischen Bezüge im ersten Teil sowie die Symbolik des Glasperlen-spiels 2 + 2 im dritten Teil verständlich machen. Ich lade den Leser daher ein, dieses Buch nicht in erster Linie als Lesestoff zu betrachten, sondern es als Übungsbuch zu nutzen und jenseits des Textes die eigene Erfahrung darin zu suchen.
Hardcover mit zahlreichen Illustrationen
116 Seiten
George Pennington
im Juni 2017
Über den Autor
George Pennington, * in den USA, aufgewachsen in USA, Frankreich und Österreich, Studium in Heidelberg (Soz., Psych.), weitere Studien in London (Physiotherapie, Landwirtschaft). Seit 1977 lebt er in Bayern, wo er in Seminaren praxisnahe Psychologie und Meditation lehrt.
Von seinen Büchern war das Kleine Handbuch für Glasperlenspieler (Irisiana 1981) das erste.
Es folgten: Die Tafeln von Chartres (Walter 1994/Patmos), Das Taoistische Gebet (Kösel 1995), Vom Schielen und Schauen (Haug 1995/Lenzwald), Shadowrider - Field Notes of a Psychonaut (Lenzwald 2013) und Bewusst Leben - Psychologie für den Alltag (Lenzwald 2014).
Der Autor 1981
Der Autor 2014